Von Embryonenbeurteilungen und vielen Nadeln

Guten Morgen ihr Lieben,

ich konnte den Transfertag nun einigermaßen verarbeiten und möchte euch hier noch ein längeres Update dazu geben:

Aus einem Telefonat vom Vortag wussten wir, dass sich immernoch drei unserer vier Embryonen planmäßig teilen würden und so hofften wir, als wir im 11:00 Uhr ins Auto stiegen auf wenigstens zwei gute Blastozysten. Die Fahrt nach Würzburg war nervenaufreibend. Ihr wisst ja, dass ich allein immer mit dem Zug fahre, zu zweit lohnt sich das preislich leider überhaupt nicht mehr. Traurig, aber wahr…

Wie fuhren also mit dem Auto und kamen auch recht gut durch. Als das Navi nur noch knapp fünf Minuten bis zur Klinik anzeigte, wollten wir die Autobahn verlassen und landeten mitten im Stau. Es ging nur noch im Schneckentempo voran und wir mussten der Klinik mitteilen, dass wir uns verspätet würden (obwohl wir über eine halbe Stunde früher als nötig losgefahren waren). 20 Minuten nach unserem eigentlichen Termin waren wir dann endlich da und weil nur wenige Frauen* im Waetebereich saßen, stelle ich mich dieses Mal auf eine eher kurze Wartezeit ein.

Nach einigem hin und her wurde dann auch entschieden, dass die Blutentnahme und die Intralipidinfussion erst nach dem Transfer stattfinden sollten. Die nächsten Minuten saß ich wie auf Kohlen. Ich versuchte mich abzulenken, aber meine Gedanken kreisten immer nur um die Embryonen. Ich hatte panische Angst davor, dass das Ergebnis ähnlich schlecht wie beim letzten Mal sein könnte… Wir wurden irgendwann aufgerufen und der behandelnde Oberarzt* teilte und ohne Umschweife mit, dass es zwei frühe Blastozysten gäbe, eine gute und eine stark fragmentierte. Es lagen sogar zum ersten Mal Bilder auf dem Tisch:

Ich fragte nach der dritten, doch die hatte es wohl nicht mehr geschafft. Wir waren ernüchtert und ließen das den Arzt* auch wissen. Ich deutete an, dass frühe Blastozysten für die Zeit schon zu wenig weit entwickelt seien und fragte noch einmal konkret, warum die Embryonenebtwicklung bei mir bis jetzt noch nie wirklich gut funktioniert hatte. Er* verschwand für einige Minuten ins Labor und unterhielt sich mit der Laborantin*. Als er wieder kam, meinte er nur, der eine Embryo sei nicht so schlecht und habe sich immer gleichmäßig geteilt. Auch wenn das nicht unbedingt eine Antwort auf meine Frage war, ließ ich es darauf beruhen. Der Transfer fand statt.

Anschließend sollte noch die Blutabnahme erfolgen. Eine neuere Regelung verbietet es den Krankenpflegerinnen* wohl Zugänge mit den Nadeln zu legen, die dür die Infusion notwendig sind und so versuchte der Oberarzt* sein Glück. Anders kann man es leider nicht nennen, was er da tat. Zweimal stach er erfolglos und dann verschwand er einfach und kam nicht wieder. Eine der Krankenpflegerinnen* kam mehrmals an unserem Arztzimmer vorbei und irgendwann meinte sie: ‚Wisst ihr was? Ich lege jetzt ne Butterfly. Das hab ich früher immer so gemacht und das gab nie Probleme. Ich darf das zwar nicht, aber sie wolle ja auch heim. Wir müssen uns aber beeilen, bevor der Herr Oberarzt wieder kommt.‘ Gesagt, getan und die Infusion lief.

Die Zeit nutze ich, um noch einmal das genaue Alter meiner Blastozysten auszurechnen. Aufgrund von Nachfragen weiß ich, dass die Embryonen in der Klinik mit 17 – 18 Stunden im Vorkernstadium eingefroren werden. Außerdem weiß ich, dass meine vier dieses Mal gegen 10:00 Uhr aufgetaut wurden. Wenn man für den Auftauprozess zwei Stunden veranschlagt und vom Alter abzieht (länger dauert dieser auf keinen Fall), wären meine Embryonen also um 17:00 Uhr ca. 24 Stunden alt (10:00 Uhr + 2 Std. = 12:00 Uhr, 24 Std. – 27 Std. = 7 Std., 12:00 Uhr + 7 Std. = 17:00 Std.). Das heißt folglich, dass sie Transfertag um 17:00 Uhr ihren fünften Tag beendet hätten. Die Embryonenbeurteilung fand laut Bildausdruck bereits im 12:00 Uhr statt, also sieben Stunde früher. 120 Std. (5 Tage) – 7 Std. macht genau 113 Std. Wenn man nun Embryoscopevideos (Filme zur Embryonenentwicklung) ansieht, sind so gut wie alle Blastozysten zu diesem Zeitpunkt expandierend oder schlüpfend, also schon viel weiter als meine beiden. Aufgrund dieses Vergleichs kann ich eine Verzögerung von ca. 13 Std. annehmen, was in der frühen embryonalen Entwicklung wirklich viel ist…

Nun gut, wir saßen so da und rechneten das aus, bis das Hannibaellchen plötzlichen bemerkte, dass die Infusion nicht mehr weiter lief. Sie holte die Arzthelferin*, aber auch nach mehrmaligem Umlegen der Nadel war es nicht besser und die Einstichstelle wurde langsam dick – also neu stechen. Erst versuchte sie es am Handrücken, ohne Erfolg, dann nochmal in der Armbeuge, wieder nicht… Insgesamt stach sie ca. acht Mal. Sie traf immer eine Vene, aber diese reichten nicht im um die Infusionen laufen zu lassen. Langsam verzweifelten wir alle. Ich lag inzwischen auf einer Liege halb im Flur, weil mir schwindelig war. Das Hannibaellchen konnte nur meine Hand halten und die Arzthelferin* murmelte mehrmals, dass sie sowas noch nie erlebt habe. Noch etwa einer halben Stunde und beim letzten Versuch gelang es ihr dann schließlich wieder einen funktionierenden Zugang zu legen und die Infusion lief weiter bis zum Schluss.

Um 16:30 Uhr konnten wir die Klinik endlich verlassen und landeten damit ungeplant direkt im Berufsverkehr. Noch vom Auto aus bestellen wir und etwas zu essen. Wir hatten beide den ganzen Tag nichts gegessen (außer einen kleinen Milchreis zu zweit den das Hannibaellchen mitgebracht hatte, nachdem sie* irgendwann mal die Parkuhr nachstellen gegangen war).

Nach dem Essen widmete ich mich noch ein bisschen dem Bild unserer beiden Embryonen und versuchte sie nach dem Blastozystengrading einzuteilen. Dieses funktioniert wie folgt (genauer hier nachzulesen) :

Jede Beurteilung setzt sich aus einer Zahl (1-6) und zwei Buchstaben (jeweils A – F) zusammen. Die Zahlen stehen dabei für den Entwicklungsstand der Blastozyste.

1 = frühe Blastozyste mit kleinem Hohlraum

2 = frühe Blastozyste mit großem Hohlraum

3 = Normale Blastozyste

4 = expandierende (also sich ausbreitende) Blastozyste

5 = schlüpfende Blastozyste

6 = geschlüpfte Blastozyste

Besonders hohe Einnistungschancen haben die expandierenden und die schlüpfenden Blastozysten.

Der erste Buchstabe steht für das Aussehen des Embryoblasten, also der erkennbaren Anlage aus der sich der Embryo entwickelt. Je dichter in verbundener die Zellen sind, desto besser.

Der zweite Buchstabe steht für die Beurteilung des Trophoblasten, also der äußeren Zellhülle. Auch hier ist die Dichte und Verbundenheit der Zellen und außerdem ihr abgeflachtes Aussehen entscheidend.

Meine gute Blastozyste ist demnach vermutlich eine 2AA Blastozyste – hinterher, aber zumindest schön. Die zweite ist so arg fragmentiert, dass eine Beurteilung kaum möglich ist.

Wie geht es mir nun mit alledem? Ich möchte hoffen und habe gleichzeitig solche Angst davor. Ich weiß, dass sie Chancen gering sind und stelle mich deshalb auf das Schlimmste ein. Bereits am Sonntag werden wir Bescheid wissen, ob es unser Zögling vielleicht doch geschafft hat. So lange plage ich mich mit den derzeit leider sehr deutlichen Nebenwirkungen des Progestans (Blähbauch, schmerzende Bürste, etc.) herum und versuche mich abzulenken…

Bald ist es geschafft, so oder so…

11 Kommentare zu „Von Embryonenbeurteilungen und vielen Nadeln

  1. Trotz alledem: Daumen sind gedrückt!
    Bis Sonntag ist ja zum Glück auch nicht mehr so lange zu warten.
    Bekommt ihr die Ergebnisse vom BT gleich am Sonntag oder erst am Montag?

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  2. Würdet ihr denn trotz des ganzen Chaos eine Behandlung in Würzburg Anderen empfehlen?
    Wiegt der günstigere Preis die Umstände auf?
    Wir sind aus Kassel und suchen gerade nach Möglichkeiten…

    Ansonsten hoffen wir, dass es euch gut geht!
    Liebe Grüße
    Roberta und Barbara

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    1. Hallo 🙂 Entschuldige, dass ich erst jetzt antworte. Ich hoffe mein neuer Bericht erklärt das ein wenig… Grundsätzlich können wir Würzburg schon empfehlen. Die Ärzt*innen und Leger*innen sind nett und preislich ist es wirklich gut. Die Wartezeiten sind manchmal wirklich unerträglich und die Räume sehen aus wie vor 30 Jahren, aber das lässt sich aushalten. Das Vorgehen der Klinik ist leider meiner Meinung nach nicht auf dem Neusten Stand. Reicht eine ’normale‘ ICSI aus, wie es bei den Allermeisten ja ist, dann ist man dort richtig aufgehoben. Speziellere Untersuchungen und sehr individuelles Vorgehen kann man allerdings nicht als Standard erwarten und muss man eher selbst erkämpfen. Das Problem hat man aber wohl in sehr vielen Kliniken… Ich hoffe, ich konnte euch bei der Entscheidung etwas helfen! Liebe Grüße und danke fürs Lesen des Blogs 🙂

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      1. Danke dir für deine ausführliche Antwort, die ich irgendwie überlesen habe 🙂

        Mittlerweile haben wir versucht Würzburg (es ist doch die Uniklinik, oder?) auf allen möglichen Wegen zu erreichen (Telefon, E-Mail, Kontaktformular). Leider kommen wir nicht zu jemandem der uns einen Termin für ein Beratungsgespräch geben kann…

        Wie seid ihr durchgekommen (gerne auch als PN)?

        Ich finde es super, wie ihr euch in euer „Projekt“ stürzt. Wir haben auch über die Möglichkeit der Aufnahme eines Pflegekindes gesprochen. Meine Frau ist aber noch nicht so überzeugt, vor allem wegen der rechtlichen Situation.
        Mal sehen, sie braucht eh immer etwas länger um sich auf neue Ideen einzulassen 🙂

        Für euch alles Gute!
        Ich bin gespannt zu lesen, wie es weitergeht, und drücke die Daumen!

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      2. Ihr müsst direkt in der Hormon- und Kinderwunschsprechstunde anrufen. Die Nummer endet ihr online auf der Seite gaaanz unten. Es ist aber leider normal, dass man nicht so leicht jemanden erreicht. Hier gibt es bald einen neuen ausführlichen Blogbeitrag. Es hat auch nämlich gaaanz viel getan!

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