Über das verstehen von Ehen

Hallo ihr Lieben

Dieses Mal geht es schnell mit dem nächsten Eintrag hier auf dem Blog. Ich möchte einmal wieder ein diskursives Thema ansprechen, weil ich mir da in letzter Zeit häufiger Gedanken dazu gemacht habe. Derzeit stoße ich häufiger auf Berichte und Artikel zu Polyamorie, welche mich dazu animiert haben einmal genauer über unseren derzeitigen Ehe-Begriff nachzudenken.

Polyamorie ist eine Lebens- und Beziehungsform in welcher ein Mensch mehr als eine Person gleichzeitig liebt und somit auch mehr als eine Partnerschaft gleichzeitig führt. Manchmal findet sich auch der Begriff Polygamie, wobei dieser einen größeren Sexualitätsbezug hat. Polyamorie ist kein neues Phänomen, aber es erlebt in den letzten Jahren eine Art Coming-Out. Vermutlich haben Berichterstattungen über Homosexualität inzwischen an Reiz verloren und die Medien suchten sich ein neues vermeindliches Tabu-Thema.

Vorneweg: Ich finde diese Entwicklung gut. Ich finde es gut, dass alternative Lebensmodelle aufgezeigt werden und da eine positive Berichterstattung erfolgt. Ich finde es gut, wenn Menschen offen zu ihren Gefühlen stehen können und dies auch in ihrer Beziehung / ihren Beziehungen ausleben können. Ich finde es gut, wenn Menschen über den vermeintlich vorgegebenen Rahmen hinaus über ihr Leben und ihre Sexualität nachdenken und diese Gedanken mit anderen teilen. Ich habe selbst polyamor lebende Freund*innen und das Hannibaellchen und ich leben auch nicht vollständig monogam, auch wenn wir keine zusätzlichen Partnerschaften führen.

Es gibt aber dennoch im Besonderen einen Aspekt an dem Thema, welcher mich stört und dieser hat dann doch wieder mit mir persönlich zu tun… Da polyamore Lebensweisen nun immer präsenter in unserer Gesellschaft werden, ist nun auch häufiger der Schrei nach rechtlicher Gleichstellung zu hören. Hier wird eine Verbindung zu gleichgeschlechtlichen Partnerschaften geschlagen, indem auf die „Ehe für alle“ verwiesen wird. Einige polyamor lebende Menschen fordern also, dass es möglich werden muss mehr als nur einen Menschen in der Bundesrepublik zu heiraten. Die Institution Ehe in Deutschland solle also nicht nur für gleichgeschlechtlich lebende, sondern auch für polyamor lebende Menschen möglich werden. So verständlich ich diese Forderung finde, habe ich diesbezüglich einige Bedenken welche meine grundlegende Einstellung zur Ehe betreffen.

Die #EheFürAlle-Bewegung reduziert ihren Standpunkt häufig ausschließlich auf die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Personen. Ich vertrete hier eine andere Einstellung und stehe damit nicht alleine da. Die Ehe ist eine Institution. Eine Institution die es Menschen möglich macht füreinander einzustehen und sich gegenseitig so gut es geht abzusichern. Aus einer historischen Perspektive heraus ist die Heirat aus Liebe ein sehr neues Phänomen, welches erst durch die verbesserten Lebensumstände seit dem vorletzten Jahrhundert in Deutschland überhaupt realisierbar wurde. Es ist natürlich eine wahnsinnig begrüßenswerte Entwicklung, dass inzwischen zumindest in Deutschland kaum jemand mehr heiraten muss, sondern sich freiwillig dazu entscheiden darf. Das führte jedoch auch dazu, dass die Ehe in den letzten Jahrzehnten immer mehr zu einem romantischen Ideal verklärt wurde. Welches kleine Mädchen träumt nicht davon einmal im weißen Kleid durch eine Kirche zu schreiten? Auch ich hatte diese Vorstellungen, wie ich euch in meinem letzten Eintrag zu unserem Hochzeitstag ja verraten habe. Ein Ergebnis dieser Entwicklung ist es, dass das Eingehen einer Ehe häufig als „Liebensbeweis“ verstanden wird. Die ursprüngliche Bedeutung, also das füreinander Einstehen und sich gegenseitig absichern rückt dabei meiner Einschätzung nach manchmal in den Hintergrund.

Wir befinden uns somit gerade an einem kleinen Wendepunkt an dem wir genau darüber nachdenken müssen, wie wir uns die Institution Ehe zukünftig vorstellen. Worin soll der Hauptaspekt einer Eheschließung liegen – in der Absicherung, oder in der Liebe? Ich persönlich spreche mich hier ganz klar für Ersteres aus. Meiner Meinung nach bedarf es keinen Trauschein, um sich gegenseitig die Liebe zu beweisen. Hier kommt auch mein erweitertes Verständnis der Ehe für alle zum Tragen. Warum sollten nur Personen heiraten dürfen, welche eine Liebensbeziehung miteinander führen? Woher nimmt sich der Staat das Recht heraus, zu bestimmen, dass sich nur Menschen gegenseitig absichern dürfen, welche auch miteinander ins Bett gehen? Für mich persönlich bedeutet der Slogan „Ehe für alle“, alle Menschen die wollen, haben das Recht darauf sich gegenseitig abzusichern. Dabei sollte es keine Rolle spielen, ob diese Personen in einer Liebesbeziehung stehen, Geschwister oder beste Freund*innen sind. Wichtig und ausschlaggebend sollte sein, dass diese Menschen langfristig füreinander da sein wollen. Dieser Wille sollte vom Staat honoriert und die Umsetzung ermöglicht werden und nichts anderes. Damit wird der Ehe natürlich der generell romantische Aspekt genommen.

So, und was hat das nun mit Polyamorie zu tun? Sollte die Ehe für mehr als eine Person geöffnet werden, hieße dies auch für mehr als ein*n Partner*in einstehen zu müssen. Dies klappt eventuell bei einer Beziehung zwischen drei Menschen, bei welcher alle drei gleichermaßen füreinander da sein wollen. Häufig führen polyamor Lebende jedoch keine „Dreieckspartnerschaften“, sondern sind mit Person A und Person B zusammen, A und B führen jedoch keine Beziehung. Sollte es nun möglich sein beide Personen zu heiraten, bestünde ein doppeltes Abhängigkeitsverhältnis, welchem wohl schwer entsprochen werden könnte. Je größer die Anzahl der Personen, desto schwerer wird die Rechnung. In diesem Fall hätte eine Ehe für mich kaum noch etwas mit Absicherung zu tun (welche nicht geleistet werden könnte), sondern ausschließlich mit einem Liebesbeweis. Natürlich ist es auch Paaren (zwei Personen) nicht immer möglich wirklich füreinander da zu sein und dennoch ist die Chance sehr viel höher, als bei einer unbegrenzen Anzahl an Personen. Logische Schlussfolgerung wäre somit, eine Eheschließung sei nur noch dann möglich, wenn alle beteiligten Personen glaubhaft deutlich machen, dass sie nicht nur vor haben füreinander einzutreten, sondern dies auch können. Das erscheint mir jedoch keine gute Alternative.

Die Institution Ehe wie sie derzeitig besteht ist auf ein Verhältnis aus zwei Personen ausgelegt. Die Liebesbeziehung und somit auch des Geschlechts spielt rein gesetzlich eine eher kleine Rolle und wird höchstens deutlich bei der Meinung, die Ehe sei die Keimzelle der Familie. Sollte es wirklich möglich werden die Ehe für eine beliebige Anzahl von Personen zu öffnen, so wäre eine vollständige Überarbeitung des Gesetzes nötig. Ich behaupte nicht, dass dieser Schritt nicht irgendwann sinnvoll durchgesetzt werden könnte, doch das ist meiner Meinung nach ein langer und sehr aufwendiger Prozess der viel Umdenken z.B. bei den Abhängigkeitsverhältnissen fordert (Die Zuständigkeit von vier Elternteilen für ein Kind ist machbar, aber auch die von einem Kind für vier Elternteile?).

So ist meiner Meinung nach eine generelle Debatte über den Nutzen der Institution Ehe nötig, welche über die Inklussion oder Exklussion bestimmter Gruppen hinausgeht, und diese Institution als solche neu überdenkt. Meine Einstellung habe ich euch hier kundgetan. Wie seht ihr das Ganze?

Über Anregungen würde ich mich sehr freuen!
Eure Noelana

Ein Kommentar zu „Über das verstehen von Ehen

  1. Du bringst mein schlechtes Gefühl bei einer Öffnung der Ehe für mehr als zwei Personen gut auf den Punkt. Bus auf die Verbindung zwischen Geschwistern wird deine Vorstellung von Ehe ganz gut von der frz registrierten Partnerschaft PACS erfüllt – die gibt es allerdings parallel zur Ehe, welche zwischenzeitlich ja auch für gleichgeschlechtliche Partnerschaften geöffnet wurde….

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